Anthologie Rezensionen: “Blaß sei mein Gesicht” – Barbara Neuwirth [Hrsg] (©1988, Auflage 1990) & “Vampire” – Martin Greenberg / Charles G. Waugh [Hrsg] (©1987, Auflage 1988)

Übersicht

In der heutigen Rezension geht es um zwei Kurzgeschichtensammlungen. “Blaß sei mein Gesicht” aus 1990 enthält 24 von Frauen geschriebene Vampirgeschichten, “Vampire” aus 1987 enthält 15 Kurzgeschichten und eine Novelle über weibliche Vampire. Auf beide Kurzgeschichtensammlungen wurde ich durch das Buch “Das Vampir-Lexikon” von Erwin Jänsch (1995) aufmerksam.

  1. Barbara Neuwirth [Hrsg.]: “Blaß sei mein Gesicht – Vampirgeschichten von Frauen”
  2. Martin Greenberg / Charles G. Waugh [Hrsg.]: “Vampire – 16x Grauen mit Frauen”
  3. Hinweis zu den Rezensionen
  4. Lust über die Bücher zu reden?

1. Barbara Neuwirth [Hrsg.]: “Blaß sei mein Gesicht – Vampirgeschichten von Frauen”

Buchdaten

Titel: Blaß sei mein Gesicht
Untertitel: Vampirgeschichten von Frauen
Herausgeberin: Barbara Neuwirth
Verlag: Suhrkamp Taschenbuch Verlag, 1. Auflage 1990
© Wiener Frauenverlag 1988
Sprache: deutsch
Wo gibt es das Buch zu kaufen? Soweit ersichtlich, gibt es das Buch nur mehr second-hand.

Auf goodreads.com findest du neben ein paar weiteren Bewertungen auch das Cover: https://www.goodreads.com/book/show/6257021-bla-sei-mein-gesicht

Kurzinhalt

Folgende Autorinnen sind in der Anthologie mit Kurzgeschichten vertreten:

  • Barbara Büchner: “Seelenblut
  • Maria Elisabeth Brunner: “Der Tiermensch”
  • Karin Rick: “Der junge Mann und seine Lehrerin”
  • Margarethe Herzele: “Löwenmäulchen”
  • Margarete Windsperger-Polsterer: “Wenn du einen siehst”
  • Christine Pinetz-Hochedlinger: “Miriam”
  • Marianne Schönbeck: “Scherben”
  • Eva Anna Welles: “… der Sage nach auf Santorin …”
  • Gisele Nemecek: “Tod einer Tänzerin”
  • Heidi Pataki: “böse miene zum bösen spiel oder wie man vampire tötet”
  • Edith Kneifl: “Vollmondnächte”
  • Barbara Neuwirth: “Eine von IHNEN”
  • Renate Schaider: “Mara und die Fremde”
  • Susanna Bach: “B. Rausch”
  • Susan Cheap: “Auf dem Land”
  • Johanna Nowak: “In der Burg des Vampyrs”
  • Dorothea Schafranek: “Der Blutsauger”
  • Karin Ivancsics: “Die Farbe der Liebe”
  • Sylvia Treudl: “In einer anderen Stadt”
  • Edith Thabet: “Von Biß zu Biß”
  • Christine Haidegger: “Betrifft: Notstandshilfe für Minderheiten”
  • Eleonore Zuzak: “Die Zählung”
  • Waltraud More: “Balzflüge”
  • Gertrud Sberlo: “Herr Von Salik am Rustikon oder Das Gastmahl zur Mitte der Nacht”

Auf die Inhalte der einzelnen Kurzgeschichten gehe ich in dieser Rezension bewusst nicht ein, da ich es bei Anthologien selber auch bevorzuge, nur das Anthologie-Thema zu kennen, aber mich von der Umsetzung des Themas durch die einzelnen Autor:innen überraschen zu lassen. Falls dir hingegen bei Anthologien Kurzinhalte der einzelnen enthaltenen Geschichten wichtig sind, lass es mich wissen, dann kann ich das bei zukünftigen Rezensionen gerne berücksichtigen.

meine Meinung zum Buch

Das Buch enthält einen bunten Mix von Kurzgeschichten, die sich dem Thema “Vampir” auf unterschiedliche und teilweise sehr originelle Weise nähern. Auch inhaltlich decken die Geschichten ein breites Spektrum an Motiven der Vampirliteratur ab, was die Kurzgeschichtensammlung sehr abwechslungsreich macht. Wie es bei Anthologien häufig der Fall ist, variiert die Qualität der einzelnen Geschichten stark.

Manche Geschichten sind bizarr, manche satirisch-humorvoll, manche provokant, viele gesellschaftskritisch, ein paar vulgär, viele leider langatmig und vereinzelte für mich zu experimentell. Was keine der Geschichten bieten kann, sind Spannung und Horror.

“Klassische Vampirgeschichte” sind in der Unterzahl, die meisten Autorinnen nähern sich dem Anthologie-Thema auf ungewöhnliche Art und Weise. Da kann es schon mal vorkommen, dass ein Vampir seinen Zahn nicht im Mund, sondern zwischen den Beinen trägt oder eine Vampirin Männern die Fortpflanzungsfähigkeit aussaugt, um ihre eigene Jugend und Schönheit zu erhalten.

Einige Geschichten werden aus Sicht von Vampirinnen erzählt, in anderen wiederum sind Vampir bzw. Vampirin Nebenfiguren.

Meinen Lesegeschmack hat nur ein Teil der Kurzgeschichten getroffen.

Mit sechs der Geschichten konnte ich überhaupt nichts anfangen, zwei davon habe ich aufgrund des für meinen Geschmack zu experimentellen Schreibstils sogar abgebrochen (“Der Tiermensch” und “Löwenmäulchen”). Neun Geschichten fand ich zwar inhaltlich interessant, waren mir aber zu langatmig erzählt. Folgende sechs Geschichten hingegen haben mir so gut gefallen, dass sich der Kauf des Buches schon allein aufgrund dieser Geschichten für mich ausgezahlt hat: “Der junge Mann und die Lehrerin”, “Vollmondnächte”, “Eine von IHNEN”, “Auf dem Land”, “Von Biß zu Biß”, “Betrifft: Notstandshilfe für Minderheiten”, “Die Zählung”, “Balzflüge” und “Herr von Salik am Rustikon oder Das Gastmahl zur Mitte der Nacht.”

Der Großteil der Geschichten, mit denen ich weniger anfangen konnte, befand sich in der ersten Hälfte des Buches, meine absolute Lieblingsgeschichte ist die letzte (Gertrud Sberlo: “Herr Von Salik am Rustikon oder Das Gastmahl zur Mitte der Nacht”). Diese letzte Kurzgeschichte vereint das Beste des Buches in einer Geschichte: eine bizarre Story, bissiger Humor, Kritik an Gesellschaft und Sexismus der Literaturbranche, Wortspiele, origineller Schreibstil, etwas Vulgarität und natürlich auch ein Seitenhieb auf Vampirliteratur. Falls du vorhast, das Buch zu lesen, habe ich daher einen etwas unorthodoxen Lesetipp: Beginn das Buch von hinten zu lesen. Starte mit der letzten Geschichte. Wenn dir diese gefällt, lies die vorletzte Geschichte und so weiter bis zum Buchanfang. Geschichten, die dir nicht gefallen, überspring einfach. Wenn du schon mit der letzten Geschichte nichts anfangen kannst, kannst du das Buch getrost zur Seite legen. Denn dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass du mit dem Rest der Kurzgeschichten noch weniger anfangen kannst.

Fazit: Wenn du “klassische” Vampirgeschichten, Spannung, Horror oder Grusel erwartest, wirst du enttäuscht werden. Zielgruppe sind weniger Fans vampirischer Spannungsliteratur, sondern Leser:innen “anspruchsvoller” (feministischer) Literatur. Wenn du jedoch literarischen Experimenten gegenüber aufgeschlossen bist, darfst du dich über ein paar sehr kreative, literarische Perlen mit Vampirbezug freuen.

[Grafik: (c) Tasty_Cat (Anastasia Usenko) via depositphotos.com (bearbeitet)]

Triggerwarnungen

Hinweis: Die von mir angeführten Triggerwarnungen sind nicht abschließend. Wenn es über die angeführten Thematiken andere Themen gibt, die dich triggern, erkundige dich bitte stets vor dem Lesen, ob diese Inhalte in den von mir vorgestellten Büchern vorkommen.

Triggerwarnung: s*xueller Missbrauch

2. Martin Greenberg / Charles G. Waugh [Hrsg.]: “Vampire – 16x Grauen mit Frauen”

Buchdaten

Originaltitel: Vamps
Titel der deutschen Übersetzung: Vampire
deutscher Untertitel: 16x Grauen mit Frauen
Herausgeber: Martin Greenberg / Charles G. Waugh
Verlag (deutsche Übersetzung): Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co (Bastei-Lübbe), 1. Auflage November 1988
© Martin H. Greenberg und Charles G. Waugh 1987
Sprache: Original: Englisch, ich habe die deutsche Übersetzung gelesen
Wo gibt es das Buch zu kaufen? Soweit ersichtlich gibt es das Buch sowohl auf deutsch als auch auf englisch nur mehr second-hand.

Hier der Link zum Online-Magazin phantastik-couch.de. Dort findest du neben einer Rezension und Kurzzusammenfassungen der Kurzgeschichten auch das Cover: https://www.phantastik-couch.de/titel/11707-vampire-16-x-grauen-mit-frauen/

Kurzinhalt

Nach einem kurzen Vorwort, das eher abschreckt als Neugierde zu wecken und man somit getrost überspringen kann, folgen 15 Kurzgeschichten und 1 Novelle von 14 Autoren und 1 Autorin:

  • Stephen King: “Eines auf den Weg” (1977)
  • William Tenn: “Denn sie geht nur nachts aus …” (1956)
  • David H. Keller: “Erbanlagen” (1947) 
  • Théophile Gautier: “Clarimonda” (1836)
  • Robert Bloch: “Der Umhang” (1939)
  • F. Marion Crawford: “Denn das Blut ist Leben” (1905)
  • Manly Wade Wellman: “Das letzte Grab von Lill Warran” (1951)
  • Fritz Leber: “Das Mädchen mit den hungrigen Augen” (1949)
  • Julian Hawthorne: “Kens Geheimnis” (1883)
  • Seabury Quinn: “Ruhelose Seelen” (1928)
  • August Derleth: “Schneetreiben” (1939)
  • Manly Wade Wellman: “Als der Mond schien” (1940)
  • Mary Wilkins Freeman: “Luella Miller” (1902)
  • Richard Matheson: “Das Kleid aus weißer Seide” (1951)
  • Tanith Lee: “Rot wie Blut” (1979)
  • Sheridan Le Fanu: “Carmilla” (1872)

meine Meinung zum Buch

Im Gegensatz zu “Blass sei mein Gesicht” sind die Vampirinnen in dieser Anthologie in fast allen Geschichten nur Nebenfiguren. Obwohl sich die Anthologie um Vampirinnen dreht, sind die Protagonisten im Großteil der Geschichten Männer. Auch darüber hinaus sind die Geschichten größtenteils sehr männerdominiert, klassisch-konservativ und mit männlichem Blick auf die Vampirin geschrieben, was natürlich auch am Alter vieler Geschichten liegt. Positiv fällt hingegen auf, dass die Vampirinnen trotzdem unterschiedlich charakterisiert werden. Von der verängstigen Vampirin, die nur von Kindern trinkt, weil sie sich vor Erwachsenen Angst hat, über die klassische Femme Fatale bis hin zu Monstern ohne sexuelles Interesse ist ein angesichts der konservativen Ausrichtung der Geschichten verhältnismäßig breites Spektrum an untoten Damen vorhanden. Ein paar vereinzelte Geschichten gehen auch inhaltlich Wege abseits klassischer Vampirgeschichten, etwa die humorvolle Kurzgeschichte “Der Umhang” von Robert Bloch.

Die Geschichten stammen aus einem sehr breiten Zeitraum (1836 bis 1979). Das Mischen von Klassikern und aktuellen Geschichten führt erwartungsgemäß zu einem gewissen Ungleichgewicht hinsichtlich Spannung und Schreibstil.

“Der Umhang” ist aus meiner Sicht die beste und originellste Geschichte der Anthologie, ebenfalls ganz gut gefallen mir “eines auf den Weg”, “als der Mond schien” und “das Kleid aus weißer Seide”. Am wenigsten anfangen konnte ich mit “Schneetreiben” und “Erbanlagen”. Wirkliche Spannung kommt allerdings in keiner der Geschichten auf. Nicht einmal Stephen King schafft es, in “eines auf den Weg”, welches nach den Ereignissen seines bekannten Vampirhorror Romans “Salem’s Lot” angesiedelt ist, richtige Horrorstimmung zu erzeugen.

Schade finde ich, dass die Geschichten nicht nach Entstehungsjahr sortiert in das Buch aufgenommen wurden, sondern die Reihenfolge des Abdrucks scheinbar willkürlich ist. Zumindest habe ich nicht durchschaut, nach welchem System die Geschichten angeordnet sind. Das Erscheinungsjahr der jeweiligen Geschichten ist weiters weder im Inhaltsverzeichnis, noch bei der jeweiligen Geschichte angeführt, sondern nur in der am Ende des Buches abgedruckten Biografie ersichtlich. Geschichten, für welche der Urheberrechtsschutz zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anthologie bereits abgelaufen war, enthalten gar keine Angabe zum Entstehungsjahr.

Für mich ist beim Lesen das Entstehungsjahr von Geschichten jedoch von großer Bedeutung, da ich an Geschichten unterschiedlicher Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte unterschiedliche Ansprüche hinsichtlich Schreibstil, Spannung, Inhalt und Umgang mit diskriminierenden Formulierungen habe und unter Berücksichtigung des jeweiligen historischen Kontextes in historischen Texten manche Dinge  – auch wenn ich sie nicht gutheiße – dulde, die für mich in einem modernen Roman ein absolutes No-Go wären.

So manchen Klassiker – wie beispielsweise “Clarimonda” von Théophile Gautier – hätte ich, wenn es sich um eine moderne Geschichte gehandelt hätte, aufgrund des antiquierten, ausufernden Schreibstils und Langatmigkeit abgebrochen. Da die Geschichte jedoch aus 1839 stammt und somit die erste mir bekannte literarische Geschichte über einen weiblichen Vampir ist, habe ich sie aus literaturhistorischem Interesse dennoch gelesen und kann ich ihr unter Berücksichtigung der Zeit der Entstehung einige positive Aspekte abgewinnen.

Fazit: Wenn du auf der Suche nach spannender Gegenwartsliteratur bist, bist du bei dieser Anthologie falsch. Wenn du hingegen – so wie ich – Interesse an der Entwicklung der Vampirliteratur hast, darfst du dich über eine zumindest kleine Auswahl von (teils bekannten, teils unbekannten) Geschichten über Vampirinnen bis zurück zum Jahr 1836 freuen.

p.s.: Auf die Qualität der deutschen Übersetzung von “Carmilla” in der Anthologie gehe ich an dieser Stelle nicht näher ein (nur so viel: es ist nicht meine liebste Übersetzung), da ich einen gesonderten Blogbeitrag plane, in dem ich die Qualität unterschiedlicher deutscher Übersetzungen der Novelle sowie unterschiedliche englische Editionen im Detail miteinander vergleiche.

[Grafik: (c) Tasty_Cat (Anastasia Usenko) via depositphotos.com (bearbeitet)]

3. Hinweis zu den Rezensionen

Ich habe meine Ausgaben der Bücher selbst gekauft und ich erhalte keinerlei Gegenleistung für diese Rezensionen. Ich habe keinen Auftrag zur Rezensionserstellung erhalten und habe keine Kooperation mit den Autorinnen oder Verlagen und stehe mit diesen auch in sonst keiner Verbindung.

4. Lust über die Bücher zu reden?

Kennst du eines der Bücher? Wie hat es dir gefallen? Welche Geschichten haben dir am besten gefallen und von welchen warst du enttäuscht? Welche anderen Vampir-Anthologien kennst du?

Falls du Lust hast, mit mir über die Bücher zu diskutieren, findest du hier meine Social Media Beiträge zu dieser Rezension:

Instagram: https://www.instagram.com/share/p/BAeRiqVc9t

Threads: https://www.threads.com/@domi.caella_schreibt/post/DO7yNpuDU3d?xmt=AQF0WLbv8y5KwmxRsrzKkJxqGahZSmfZ19c3oliPzB2RhQ&slof=1

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